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Eine Frau, der alltäglichen Körperwäsche zur abendlichen Stunde nachgehend, in Tücher gewickelt von Kopf bis über die Knie, in der einen Hand eine Taschenlampe, deren verschmutztes Glas, ein Lichtaquarium auf die Strasse verschüttet, und ab und an in wildes Flackern brandet, da in der anderen Hand ein mobiles Telefon angejahrter Generation, das kleine Anzeigenfeld altgelb schimmert, nicht macht was es soll. – Verflucht! – Und wie ins ahnungslose Dunkel jagt mit einem Mal ein Kinderschrei ein Rad an der Frau vorbei die Strasse hinunter, durch dichten Rauch sich stösst, nahezu mühsam über den Asphalt sich schleppt. Rauch aus schwelendem Plastik und hager Gestrüpp, in das warme und staubsatte Dunkel sich zu beissen trachtet. Die Feuerstätten auf die Strasse Schatten krummer Zaunlatten unbemüht ordnen. Zum weiteren illuminiszierenden Spiel die Holzhütten Beitrag leisten, auf Stelzen hoch und starr sich reihen zu beiden Strassenseiten, manche mächtig schwarze Scherben aus dem Asphalt schlagen, andere nur deren luftige Holzböden in schwere Lichtgitter brechen und wie Kerker unter sich aufs Erdreich legen. Da jagt wieder ein Rad vorbei und man hört nach wenigen Sekunden den Reifen pfeifen. Auf und ab geht es, auf der einzigen hinreichenden Strasse im Dorf, aus dicken Betonplatten gelegt, was mich kindlich stets an Krieg erinnert, wahrscheinlich wegen der zeitlich beschränkten Haltbarkeit. Die Frau hebt nun wie von Poseidons Hand das Lichtaquarium und strahlt es einem Kind ins Gesicht, auf einem Rad, einem weiteren Rad, das aber unbeeindruckt weiterstrampelt, ein weiteres Kind auf dem Gepäckträger jubelt und triumphiert. Und plötzlich sind da viele weitere, Räder und Kindern. Die Frau aus Enttäuschung über die Missachtung ihrer adoleszenten Sorgenkompetenz in Aufruhr mit dem Telefon gegen die Taschenlampe schlägt, unklar welches Zauberwerkzeug sie zur Anklage bringt, aber das Aquarium nur müde ein wenig mehr Licht schwappt, das Telefon jedoch scheint nachzugeben. Das vermisste Kind kann endlich als gesichtet gemeldet werden. Das Lichtquarium erlischt. Und wie der Tag sich aus der Nacht stanzt so legt das Dunkel das Licht in Schatten. Und wieder erinnert mich die Szene an Krieg, womöglich wegen des Rauchs und dem Zwielicht, oder dem zwielichtigem Rauch. Es bleiben schlanke bis dürre Körper, von jung bis halbausgewachsen, die natürliche Unverhältnismäßigkeit ihrer Extremitäten in ein Spiel aus grotesken Schattenräumen gezerrt. Ich zähle zwei Räder, an denen unzählige Arme reissen. Es wird sich gehalten, sich gewehrt, abgehalten und getreten, nach allem wenigen gegriffen, nach den muffigen Lumpenkleidern, in die sich zaehneknirschende Jaehzornigkeit sich einhaut wie aus Klauen. Ein drittes Rad, das mit erhobenen Vorderrad, den Lichtkegel gen Nachthimmel gerichtet, also mit Vorderlicht, was nach einer Taschenlampe aussieht, wie ein apokalyptischer Reiter, ein Don Quixote, mit stolzem Gebrüll aus dem Nichts erscheint. Und in die Menge rast. Manche fallen, reiben sich einen Ellbogen oder Knie, andere staunen mit Finger tief in der Nase, ein paar wenige üben sich in Tumult, der gleich erstickt wird, denn nahezu unerschrocken geht das Zerren weiter. Wer möchte nicht das Ross mit dem glühenden Auge reiten! So geht es weiter bis zur Erschöpfung. Fliegende Räder, fliegende Körper, dass es fast einem Tanz gleicht, in aller Unaufgeregtheit. Eine Choreografie des entmutigten Wahnsinns. Und die Männer sitzen zuhauf, spielen Karten und saufen, die Frauen, wo sind die Frauen, vielleicht wissen sie es selbst nicht mehr. – Es ist Krieg, und wir alle sind Teil davon.